Recht: Was steigende Energiekosten für Arbeitgeber bedeuten

Arbeitsrecht
23.11.2022

 
Von der Temperatur im Office bis zum Heizkostenzuschuss: Die Taylor Wessing Arbeitsrechts-Experten Walter Pöschl und Peter Lohberger haben Antworten auf 10 wesentliche Fragen rund um die Energiekrise.
Energiekosten

1.         Muss der Arbeitgeber die gestiegenen Energiekosten im Homeoffice übernehmen?

Grundsätzlich muss der Arbeitgeber die gestiegenen Energiekosten des Mitarbeiters nicht übernehmen. Energiekosten im Zusammenhang mit dem Homeoffice sind gesetzlich nicht geregelt. Es kommt vor allem auf die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer an. Es empfiehlt sich jedenfalls, mit dem Mitarbeiter eine schriftliche Regelung zu treffen (dies auch für die Fall, dass keine Energiekosten übernommen werden).

Pöschl/Lohberger: „Wir gehen davon aus, dass dieses Thema aus rein arbeitspolitischen Gründen noch brisant werden wird. Falls eine eigene Energiekostenpauschale mit dem Mitarbeiter vereinbart wird, sollte darauf geachtet werden, dass diese flexibel gestaltet ist, so dass auch bei wieder fallenden Energiepreisen eine Anpassung der Pauschale bzw. ein Widerruf möglich ist."

Übrigens muss der Arbeitgeber auch gestiegene Treibstoffkosten nicht übernehmen. Zu beachten ist, dass das amtliche Kilometergeld von 0,42/km zuletzt im Juli 2008 erhöht wurde und aktuell keine Kostendeckung bei Verwendung des eigenen PKW gegeben sein kann. Die meisten Kollektivverträge verweisen auf das amtliche Kilometergeld. Auch die steuerfreien Tages- und Nächtigungsgelder für Dienstreisen („Diäten“), auf welche viele Kollektivverträge verweisen, sind seit vielen Jahren unverändert. 

2.         Bringt die Energiekrise Mitarbeiter wieder ins Büro, weil sie zuhause nicht heizen wollen?

Manche Mitarbeiter werden nicht mehr zuhause arbeiten wollen, da sie für das Homeoffice ihre Wohnung teuer heizen müssen. Auf der anderen Seite sind Arbeitgeber oftmals nicht bereit, die erhöhten Energiekosten etwa für die Heizung im Homeoffice gänzlich zu übernehmen.

Pöschl/Lohberger: „Wir sehen hier Konfliktpotenzial. Aus rein finanziellen Überlegungen wird das Homeoffice aufgrund der hohen Energiepreise für Mitarbeiter sicherlich unattraktiver werden.“

3. Kann der Arbeitgeber die Mitarbeiter ins Homeoffice schicken, um Energie zu sparen bzw. kann der Mitarbeiter einfach so wieder ins Büro zurückkommen?

Auch wenn es in Zeiten der Energiekrise finanziell attraktiv erscheinen mag, darf der Arbeitgeber nicht einseitig gegen den Willen des Mitarbeiters Homeoffice anordnen – auch nicht aufgrund von erhöhten Stromkosten. Der Mitarbeiter ist nur dann dazu verpflichtet, wenn es eine diesbezügliche – grundsätzlich schriftliche – Vereinbarung gibt, die eine Versetzung auf den Heimarbeitsplatz durch den Arbeitgeber ermöglicht.

Ob der einseitige Wechsel vom Homeoffice ins Büro durch den Mitarbeiter möglich ist, hängt von den Beendigungsmöglichkeiten der Homeoffice-Vereinbarung ab. Auch müsste eine allfällige Betriebsvereinbarung berücksichtigt werden. Gesetzlich kann die Homeoffice-Vereinbarung von jeder Vertragsseite jedenfalls aus wichtigen Gründen unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Letzten eines Kalendermonats aufgelöst werden. Die Möglichkeit der einvernehmlichen Auflösung der Homeoffice-Vereinbarung ist natürlich auch jederzeit gegeben.

Pöschl/Lohberger: „Der Mitarbeiter kann jedenfalls nicht entgegen der mit ihm abgeschlossenen Vereinbarung einfach so im Büro auftauchen.“

4.         Wie warm muss es am Arbeitsplatz sein?

Abhängig von seinen finanziellen Ressourcen hat der Arbeitgeber in Österreich hinsichtlich Raumtemperatur (noch) einen gewissen Spielraum. Aufgrund seiner Fürsorgepflicht muss der Arbeitgeber den Mitarbeiter vor unzumutbarem bzw. gesundheitsschädlichem Frieren bewahren. Die individuelle Wohlfühltemperatur spielt dabei keine Rolle.

Abgesehen von einigen Ausnahmen schreibt die Arbeitsstättenverordnung vor, dass für Räume, in denen Arbeiten mit „geringer körperlicher Belastung“ durchgeführt werden, ein Temperaturbereich von 19 bis 25°C gilt. Bei „normaler körperlicher Belastung“ liegt der Wert schon zwischen 18 und 24°C. Bei „Arbeiten mit hoher körperlicher Belastung“ muss die Lufttemperatur mindestens 12°C betragen.

Pöschl/Lohberger: „Es ist nicht auszuschließen, dass in Österreich – angelehnt an die deutschen Regelungen – gerade für Büros in „öffentlichen Nichtwohngebäuden“ neue Regelungen in Kraft treten werden.“ Dabei könnten – abhängig von der Art der körperlichen Tätigkeit – unter Umständen Maximaltemperaturen (!), z.B. zwischen 12 und 19°C, vorgeschrieben werden. Gemeinschaftsflächen wie Eingangsräume oder Flure dürfen dann vermutlich auch nicht mehr beheizt werden; Ausnahmen dürfte es aber für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Kindertagesstätten geben.

Aktuell gilt aber noch: Unternehmen in Österreich können die vorgegebenen Mindesttemperaturen jedenfalls nicht unterschreiten. Auch wenn in den letzten Jahren die Temperatur im Büro kuschelig warm war, ist eine anspruchsbegründende „betriebliche Übung“ wohl nicht darstellbar, d.h. der Arbeitnehmer kann nicht darauf vertrauen, dass es im Büro künftig weiter so warm ist, wie in der Vergangenheit. Derzeit müsste der Arbeitgeber sogar bei einem Gasengpass zu Heizalternativen greifen, um die vorgeschriebene Temperatur zu erreichen (z.B. durch elektrische Heizstrahler).

5.         Wie schaut es mit dem Warmwasser am Arbeitsplatz aus?

Noch gelten in Österreich die Bestimmungen der Arbeitsstättenverordnung, die bestimmen, wann Warmwasser zur Verfügung zu stellen ist.

Pöschl/Lohberger: „Allgemein sind ausschließlich Waschplätze und Duschen ‚nach Möglichkeit‘ mit warmem Wasser auszustatten. Braucht es im Unternehmen Sanitätsräume, sind diese jedenfalls mit Warmwasser auszustatten.“

Eine Verpflichtung zur Verfügungstellung von Warmwasser hängt vom Einzelfall ab. Es könnte aber sein, dass auch der österreichische Gesetzgeber – analog zu Deutschland – bestehende Durchlauferhitzer und Warmwasserspeicher in „öffentlichen Nichtwohngebäuden“ zum Händewaschen ausschalten lässt. In manchen Bundesländern gibt es bereits dementsprechende Energiespar-Richtlinien für Landeseinrichtungen.

6.         Kochen von Speisen im Betrieb?

Grundsätzlich können Arbeitgeber im Rahmen des Weisungsrechts Vorgaben zur Nutzung ihrer Räumlichkeiten machen. Sobald der Arbeitgeber die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung stellt, ist die Nutzung der Küche üblicherweise gestattet – außer es gibt eine gegenteilige Weisung bzw. ein Verhalten des Arbeitgebers, das darauf schließen lässt, dass die Nutzung der Küche verboten ist. Der Arbeitgeber muss dem Mitarbeiter aber die Möglichkeit geben, sein Essen und seine Getränke „aufzuwärmen“.

Pöschl/Lohberger: „Kochen per se muss der Arbeitgeber jedenfalls nicht gestatten.“

7.         Aufladen privater mobiler Geräte oder gar von Elektrofahrzeugen?

Die Nutzung wie das einfache Aufladen von privaten elektrischen Geräten und/oder eines privaten E-Fahrzeugs hängt von der Entscheidung des Arbeitgebers ab, er kann dies gänzlich verbieten oder aber erlauben. Dabei ist entscheidend, ob der Arbeitgeber seine Meinung zu diesem Thema ausdrücklich zum Ausdruck bringt oder man dies durch sein Verhalten erkennen kann.

Falls keine Erlaubnis oder Duldung vorliegt und der Mitarbeiter trotzdem private Geräte nutzt und/oder auflädt, könnte dies arbeitsrechtliche wie auch strafrechtliche Konsequenzen mit sich bringen.

Pöschl/Lohberger: „Auch wenn strafrechtliche Entscheidungen durch Mitarbeiter in der Vergangenheit selten vorkamen, muss man sagen, dass hier ein Risiko für den Mitarbeiter besteht.“

Grundsätzlich ist beachten, dass ein Ladegerät auch Strom verbraucht, selbst wenn gerade kein Smartphone angeschlossen ist. Ein Energiewert, der aber so unbedeutend ist, dass er praktisch nicht messbar ist, fällt unter die Bagatellgrenze. Es ist also davon auszugehen, dass das Aufladen eines Mobiltelefons eher keine Kündigung/Entlassung rechtfertigen kann, durchaus aber eine Abmahnung möglich wäre. Sobald der Mitarbeiter trotz Abmahnung weiterhin seine privaten elektrischen Geräte und/oder E-Fahrzeuge nutzt und auflädt, kann eine Kündigung, abhängig von anderen Abwägungskriterien (wie z.B. Dienstjahre) erleichtert werden. Abhängig vom Einzelfall ist das Risiko einer Entlassung nie gänzlich auszuschließen.

Pöschl/Lohberger: „Gerade in Zeiten der Energiekrise kann es empfehlenswert sein, diesbezüglich eine Vereinbarung mit dem Mitarbeiter über eine angemessene Energiepauschale zu vereinbaren, die vom monatlichen Gehalt abgezogen wird. Damit sollen die Kosten durch den Mitarbeiter abgedeckt werden, die bei der Nutzung der privaten elektrischen Geräte bzw. E-Fahrzeuge ab einem gewissen Ausmaß entstehen.“

8.         Können Mitarbeiter die Arbeit verweigern, wenn die Heizung abgestellt wird?

Mitarbeiter können die Arbeit nicht verweigern, wenn der Arbeitgeber aufgrund von Energiesparmaßnahmen die Raumtemperatur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben auf die gesetzlich vorgeschriebene Mindesttemperatur reduziert.

Nur im Falle eines längeren und erheblichen Unterschreitens der arbeitsschutzrechtlichen Temperaturwerte können Mitarbeiter ihre Arbeit verweigern. Dies gilt auch, wenn die Heizung im Unternehmen komplett ausfällt. Mitarbeiter könnten dann aufgrund der Treuepflicht dazu angehalten sein, ihre Arbeit im Homeoffice zu erledigen (sofern dies zuhause möglich ist), ansonsten müssten die Mitarbeiter bezahlt nach Hause geschickt werden. Im Falle eines allgemeinen Energieausfalls – welcher nicht aus der Sphäre des Arbeitgebers kommt – wird keine Arbeitspflicht aber auch kein Entgeltanspruch durch den Mitarbeiter bestehen.

9.         Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats?

Falls der Arbeitgeber Energiesparmaßnahmen setzt, kann es evtl. Informations- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats geben. Dies gilt vor allem dann, wenn das (Energiespar-)Verhalten der Mitarbeiter geregelt oder gar überwacht werden soll bzw. wenn z.B. IT-gestützte Energiemanagementsysteme im Unternehmen eingesetzt werden sollen, die das Verhalten oder die Leistung der Mitarbeiter überwachen können.

10.       Heizkostenzuschuss durch Arbeitgeber?

Pöschl/Lohberger: „Falls der Arbeitgeber dem Mitarbeiter mit einer Art Heizkostenzuschuss finanziell helfen möchte, ist dies jedenfalls möglich. Es empfiehlt sich eine flexible unverbindliche jederzeit widerrufbare vertragliche Ausgestaltung.“